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Donnerstag, 10. August 2017

Die grausame Jugend der Erna de Vries

Die Aula im Emlichheimer Schulzentrum ist bis auf den letzten Stuhl besetzt. Über 300 Besucher sind gekommen, um die Geschichte der Erna de Vries zu hören, unter ihnen viele junge Leute. Die fast 94-jährige sitzt auf der Bühne und erzählt ihr Leben. Es ist eine Geschichte kaum vorstellbarer Grausamkeiten. Mit klarer Sprache und ohne Redevorlage erzählt die Lathenerin, was in der Nazizeit passiert ist. Sie sagt, es ist ihre Pflicht, „damit so etwas in der Zukunft nie wieder geschieht.“ Die Halbjüdin wächst mit ihrer jüdischen Mutter in Kaiserslautern auf, erlebt die Reichspogromnacht 1938, muss mit anschauen, wie die Nazis die Synagoge sprengen, jüdische Geschäfte plündern und ihre Wohnung zerstören. 1943 wird die 15-jährige ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert; zusammen mit ihrer Mutter, an deren Seite sie bleiben will. Erna de Vries schildert das grausame Leben im Todesblock 25, beschreibt die unmenschliche Arbeit, den Hunger, die Ungeziefer, ihre eitrigen Entzündungen, die Berge von Leichen und die Krematorien, in denen Menschen verbrannt werden. Dann trifft sie ihre Mutter ein letztes Mal. Diese gibt ihr ein Vermächtnis mit auf den Weg: „Du wirst überleben und erzählen, was sie mit uns machen.“ Erna de Vries wird ins KZ Ravensbrück verlegt und arbeitet dort für Siemens. Im November 43 erreicht sie die Nachricht vom Tod ihrer Mutter. Auf welche Weise sie ums Leben gekommen ist, erfährt die Tochter nicht. Kurz vor Kriegsende macht Erna de Vries die Todesmärsche mit. Nach acht Tagen kommt den völlig Entkräfteten ein amerikanischer Jeep entgegen. „Wir waren plötzlich frei!“ Mit diesen Worten endet der Vortrag. Die Zuhörer stehen auf und zollen ihr Respekt mit lang anhaltendem Beifall. Sie haben noch Fragen. Freundlich und mit offenem Blick gibt Erna de Vries ihre Antworten: Sie sei nicht ausgewandert, weil sie ihren Mann im Lager kennengelernt habe. Und der sei eben „ein echter Emsländer“. Die Zeit in Auschwitz habe sie nur überleben können, weil sie angefangen habe, „tief und fest zu glauben.“ Ja, sie halte es für möglich, dass der Antisemitismus wieder erstarke. Aber sie hoffe, „dass es genug Menschen gibt, die so etwas verhindern.“ Nach Ende der Veranstaltung kommen einige, meist junge Besucher zu ihr auf die Bühne, bedanken sich und stellen noch persönliche Fragen. Dann zieht Erna de Vries ihre Blazerjacke aus und zeigt, was sie täglich an das Todeslager Auschwitz-Birkenau erinnert: Auf dem Unterarm ist die Häftlingsnummer 50462 für immer eingebrannt. 















Am Ausgang wird für ein Projekt in Israel gesammelt, für das sich Erna de Vries einsetzt. Es kommen 850 Euro zusammen. Mit dem Geld werden Bäume gepflanzt, und die Wasserversorgung in dem Land wird verbessert.






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